13.09.2019 Unheiliges auf der heiligen Insel
Schon morgens um sechs nimmt das erste Kreuzfahrtschiff die Kurve vor unserem Balkon. Wir haben vor, heute frühzeitig die Muttergottes-Insel Gospa od Škrpjela, zu besuchen, schneller zu sein als die Kreuzfahrer. Ein Versuch war es wert, halbzehn, ganze 20 Minuten zu spät, nachdem wir das schaukelnde Bötchen verlassen haben, finden wir uns in einer Touristenhorde wieder. Der Inselbesuch wird kostspieliger als erwartet, moderne Wegelagerei. Die ersten Bootschauffeure verlangen zehn Euro für die Überfahrt von ein paar hundert Metern. Wenn ich die gleiche Strecke in Griechenland zur Insel Poros übersetze, bezahle ich 2 Euro für den Hin- und Rückweg. Es geht ums Prinzip, Abzocke, viel zu teuer, ich ärgere mich. Wir gehen weiter, die nächste Anbieterin schippert uns für 5 Euro, das scheint reell. Auf der Insel fallen zwei Euro pro Person an, um in die Wallfahrtskirche eingelassen zu werden. Nun ja, von Wallfahrt und Kirche ist nicht mehr viel zu spüren, ein kleines Museum hat sich hier eingerichtet. Der Kirchenraum wurde vom bekanntesten hiesigen Maler, den Namen habe ich vergessen, ausgestaltet. Sehr schön, aber eine gesammelte Betrachtung – unmöglich. Gruppen mit englisch- und französischsprachigen Führern drängen sich durchs Gotteshaus. Ein Mann hat das Handy ans Ohr geklemmt, während er hektisch die schon einmal angebrannten Teelichte entzündet. Ich schaue ihm zu und denke mir erstmal nichts dabei, nach den ersten zehn kommt er mir schon etwas merkwürdig vor, irgendwann begreife ich, dass er - während er weiter telefoniert - im Begriff ist, alle Teelichte neu zu entzünden. Wie schräg ist der denn drauf? Als er sein Werk vollendet hat, läuft er immer noch telefonierend zu einem Kasten und legt ein paar Schalter um. Das ist jetzt aber deutlich die Grenzen überschritten, denke ich, bis mir ein Licht auf geht: das scheint so eine Art Messner zu sein. Eingepfercht zwischen den englischen und französischen Touris Treppe werden wir hinauf ins Obergeschoss gespült. Vorbei an Unmengen von Bildern sinkender Schiffe, einer großen Truhe, in die Touristen, die sich noch nicht genug geschröpft fühlen, ihren Ablass in Form eines Scheinchens flattern lassen können, vorbei Schiffsutensilien und offenbar Fundstücken, die aus den Wracks geborgen worden waren. Unerwartet werden wir ausgespuckt und kommen zum guten Schluss an einem Kübel vorbei, in dem noch das Kleingeld Platz findet, auf dass der geneigte Besucher, erleichtert wieder von dannen gehe.
Ganz schnell verlassen wir wieder die Insel, bevor uns noch der letzte Cent aus der Tasche gezogen wird. Bei unserem anschließenden Gang durch Perast, diesem atmosphärischen kleinen Ort, der nach einem starken Erdbeben in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts fast aufgegeben worden wäre, ergeht es uns nicht anders. Die autofreie Straße am Meer entlang hat sich inzwischen mit Menschen gefüllt und wir wir müssen uns der Strömung anpassen.
Nachdem wir das Zentrum passiert haben, erinnern wir uns an die Lektionen unserer Kindheit. Aufgewachsen in einer Stadt voller Touristen, mussten wir schon früh eigene Strategien entwickeln, um mit extremen Menschenmassen umzugehen.
!. sich immer an den Rändern aufhalten. Also laufen wir zielstrebig die Uferstraße weiter entlang bis wir in ein ruhiges Viertel kommen. Dort finden wir eine herrliche kleine Cafebar, sitzen auf einer Holzbank unter schattigen Bäumen nahe am Wasser und sind mit uns und der Welt zufrieden.
2. Immer die Nebenstraßen benutzen. Deshalb bewegen wir uns auf dem Rückweg im Gässchen hinter der ersten Häuserfront. Bingo! Hier sind nur wenige Fotofreunde anzutreffen, die Aufnahmen jenseits der herausgeputzten Vorderansicht machen wollen. Einmal wagen wir uns noch in die öffentliche Zone, zur Kirche …. deren Glockenturm ein Wahrzeichen von Perast ist.
Auch hier stoßen wir auf eine große Reisegruppe. In einer der hinteren Bänke warten wir, bis der Spuk vorüber ist. Viele der Frauen tragen Kopftücher um dem Ort ihre Ehrerbietung darzubringen, was sie allerdings nicht davon abhält, sich in voller Lautstärke zu unterhalten. Nachdem sie weg sind, sitzt nur noch eine zierliche Person in der ersten Reihe. Eine junge Frau hat sich seitlich zum Eingang in die Sakristei positioniert, es ist die Kartenverkäuferin, auch hier gibt es noch ein Museum zu erkunden. Sie trägt ein ärmelloses T-Shirt, das die blauen Flecken, in Form von Fingern, die sich auf ihren Oberarmen abzeichnen, nicht verhüllt. Plötzlich kommen von schräg vorne laute Signaltöne, die Dame aus der ersten Bank zieht ihr Handy aus der Tasche und telefoniert ungeniert. Die junge Frau wendet sich ihr mit hochgezogenen Augenbrauen zu, dann schaut sie in unsere Richtung und zuckt die Schultern. Als die Telefonistin fertig ist und sich umdreht, sehen wir, dass es eine Asiatin ist. Ach so! Unsere Klischees an diesem Tag werden mal wieder voll bedient.
Am Abend, der zweite über dem Wasser und den verschachtelten Dächern, die Dämmerung färbt gerade den Himmel orange und rosa, sagt Frank: „Es kommt mir vor als würde dieser Ort atmen, in langen Atemzügen, morgens ein und am Abend ganz langsam – vielleicht mit einem wohligen Seufzer? - wieder aus…..
14.09.19 Ortswechsel von der Kotorbucht zum Skadarsee
Wir sind jetzt gut zwei Wochen unterwegs und der Alltag ist so weit entfernt, dass wir ganz und gar da sein können. Durch dieses ständige Aufbrechen jedoch, heißt es auch immer wieder Abschied nehmen, wir sollten inzwischen in Übung sein! Dennoch fällt es uns schwer, uns von diesem romantischen Ort und unseren herzlichen Gastgebern zu verabschieden. Wir verzögern immer wieder den Aufbruch und versprechen wieder zu kommen. Zum Reiseschutz bekomme ich noch ein Armkettchen von der Maria im See.
In Kurven führt die Straße nach Kotor. Wie ich gelesen habe, soll die Altstadt sehr schön sein, aber der Rest – vergiss es!
Schon von weitem sehen wir die beiden Kreuzfahrer des heutigen Tages liegen. Einen breiten Speckgürtel an Häusern, erst einmal große in Plattenbauweise, dann überwiegend hässliche kleinere, zu Pensionen mutierte, haben wir bis hier hin überwunden. Vor den Altstadtmauern gibt es einen ganzen Bazar an Ramsch- und Trödelständen. Ein riesengroßer Zirkus, aufgebaut zur Melkerei der willigen Touristen. Abstoßend!
Gleich nach der Stadt führt ein Tunnel durchs Gebirge, der uns an seinem Ende in eine andere Landschaft ausspuckt. Die Schroffheit ist einer grünen, etwas langweiligen und zersiedelten Hügellandschaft gewichen, die uns bis zum Meer begleitet. Dort treffen wir an, was uns prophezeit worden war. Die Buchten sind großzügiger als in Kroatien, lassen mehr Raum zum verbauen, was auch fleißig getan wird. Es gibt ab und zu Sand- oder Kiesstrände, die bis auf den letzten Meter mit Sonnenliegen und -schirmen bepflastert sind. Besonders Budva ist bestückt mit vielen Hochhäusern, die aber nett herausgeputzt sind, dazwischen auch gepflegte Grünflächen. Ob es an der in Sichtweite liegenden Promi-Insel Sveti Stephan liegt? Wir gönnen uns um 12 Uhr mittags ein montenegrinisches Frühstück in einem über der kleinen Insel liegenden Restaurant. Sehr pittoresk, sehr liebenswert, die Dächer, der in einander geschobenen Häuser. Abgeschiedenheit und Ursprünglichkeit scheinen hier die Schönen und die Reichen zu suchen. Wir können es ihnen nicht verdenken. Ein goldener Hubschrauber, der unten gelandet war steigt wieder auf und fliegt vorbei.
Bald danach biegen wir ab von der Hauptachse der Küste entlang nach Ulcinj. Wir schrauben uns hoch und höher am Berg empor, die immer kleiner werdenden Häuser und die immer größer werdende Weite des Meeres faszinieren uns!
Ein kleines Stück geht es auf dem Bergkamm landeinwärts, die südländische Landschaft, die Träume vom Paradies wachruft, wird ab und zu durch wilde Müllhalden entzaubert. Und plötzlich weitet sich der Blick wieder und wir sehen über Berge und Hügel hinunter auf den Skadarsee.
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