Abschied von Mljet
Diese Nacht wird nur vom Klang der an die Kaimauer klatschenden Wellen begleitet. Am Morgen lädt uns Manda, die Hauswärterin, noch zu einem Kaffee mit Keks ein. Trotz fehlender gemeinsamer Sprache erfahren wir so manches; sie ist nur von Juli bis September hier, länger geht die Saison auf Mljet nicht, am Sonntag wird das Haus geschlossen und sie reist zurück nach Slavonien. Makaber und zugleich amüsant unsere Zeichensprache über ein ernstes Thema: sie schwingt mit beiden Händen ausladend Richtung Boden und sagt NIET, bevor sie die Arme Richtung Himmel streckt und DA sagt. Da, in diesem Fall ja, bedeutet, da oben ist er also, ihr Mann, der vor 10 Jahren starb. Die 71-jährige ist aus der Nähe von Zagreb, schwimmt gerne und scheint hier das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden: Geld verdienen und leben im Naturparadies.
Wie das so ist mit ersten Erfahrungen, sie sind viel dramatischer als die darauf folgenden. Das erste Verliebt sein, zum ersten Mal Kinder kriegen, ein erstes Mal in den Flieger steigen; und so ist es eben auch mit unserem Sträßchen. Der Rückweg über die schmale asphaltierte Piste - es sind vielleicht 4-5 km bis wir wieder auf der „normalen“ Straße sind, - kommt uns wesentlich einfacher vor als der Herweg. Wir gönnen uns einen Fotostopp und meistern die beiden Steilstellen mit Bravour, zumal keine fünf Autos am Tag nach Kozarica kommen oder die Ansiedlung verlassen…..
Bevor wir die 12 Uhr-Fähre erreichen wollen, fahren wir noch bis zum Naturparkeingang, der sich weit hinten auf der Insel, kurz vor den beiden Seen, befindet. Um hinein zu gehen haben wir nicht mehr die Ruhe, es zieht uns weiter, außerdem ist der Eintritt mit 17,50 Euro pro Person recht hoch, das Auto wird außerhalb geparkt und ein Shuttle bringt die Besucher bis an die Seen, im Preis inbegriffen ist auch die Bootsfahrt zu einer kleinen Klosterinsel. Das lohnt nicht für zwei, drei Stunden! Wohlverstanden, es ist gut, den Park zu schützen, indem die finanzielle Schwelle hochgelegt wird. Menschen die mehrere Tage auf der Insel sind, zahlen nur einmal Eintritt und können den Park so oft sie wollen besuchen, auch in den Ansiedlungen im Park kann übernachtet werden. Hätten wir uns mal gestern getraut über das doch nicht ganz so grausame Sträßchen zu fahren….
Perast
Die Straße nach Dubrovnik findet ihre romantische Fortsetzung, die erst mit der monumentalen Brücke bei Dubrovnik endet und eindrucksvolle Bilder auf die hier vor Anker liegenden Kreuzfahrtschiffe beschert. Die Altstadt von Dubrovnik, sehr sehenswert, schauen wir uns nur aus der Vogelperspektive an.
Der Grenzübertritt kurz hinter Dubrovnik an der montenegrinischen Grenze, hält uns nicht lange auf, vielleicht eine viertel Stunde Wartezeit pro Grenzposten. Als wir Herceg Novi, die erste Stadt am Talausgang zum Meer hin erreichen, erleiden wir einen Häßlichkeitsschock, soll man das Ostblockcharme nennen, oder was ist das?! Und Verwirrung pur: um uns herum fahren nur Autos mit dem Kennzeichen HN, was wollen all die Heilbronner hier? Das Rätsel löst sich bei genauerem Hinsehen. Nicht nur den Euro haben die Montenegriner einfach so konfisziert; nein auch die Nummernschilder sind mit den unsrigen fast identisch, nur dass die gelben Sterne auf dem blauen Grund des Länderkennzeichens fehlen. Gut für uns, so wird Josef erst beim genaueren Hinsehen als deutsches Auto identifiziert, außer wenn er spricht, aber der soll gefälligst die Klappe halten.
Wir lassen den Eingang zur Bucht von Kotor – des südlichsten Fjords unseres Kontinents - hinter uns schlängeln uns mit 40 Stundenkilometern am Ufer entlang. Langweilige Landschaft, Hafenanlagen, nichtssagende Ortschaften. Ich bin enttäuscht, sage aber nichts. Die Bucht von Kotor hatte ich ausgesucht, das hieße eine Niederlage zugeben und den Titel als „Besondere Orte Finderin“ aberkannt zu bekommen, dazu bin ich nicht so ohne weiteres bereit. Nachdem ich mir schon geraume Zeit auf die Zunge gebissen habe, öffnet sich unerwartet nach einer weiteren der endlosen Kurven der Blick auf ein herrliches Bergmassiv, davor schwebt ein großes Flugzeug. Wow, so sieht also der Anflug auf Podgorica aus!
Die Landschaft wird zum Traum, beim Entlangfahren an den Buchtenrändern verlieren wir Richtung und Ziel.
Angekommen in Perast ergattern wir mit Hilfe eines freundlichen Parkplatzwächters den letzten Parkplatz am Orteingang des an einen Hang geschmiegten kleinen Städtchens. Die Uferstraße ist nur Fußgängern zugänglich, die in Scharen vorbei an lauschigen Restaurants in Natursteinhäusern und Speiseterrassen am Wasser flanieren. Wir streben hungrig in ein uns empfohlenes Restaurant und sitzen gemütlich am Wasser gegen über den beiden winzigen Inseln. Auf der einen von einer Mauer umgebenen und mit Zypressen bewachsenen, ragt ein Kirchturm auf. Es ist Sveti Dorte, der Friefhof für die Adligen der Bucht.
Es gibt Spekulationen, dass die Insel als Vorbild für Arnold Böcklins Gemälde „Die Toteninsel“ diente.
Die andere kahl, mit einer Kuppelkirche darauf ist Gospa od Škrpjela (zu deutsch Maria vom Felsen bzw. vom Riff), ein bekanntes Marienheiligtum. Dabei handelt es sich um eine künstliche Insel, die durch ein Bollwerk von Felsen und durch alte gesunkene Schiffe, die mit Steinen beladen waren, nach und nach entstanden ist. Das lässt tief blicken über die Gefährlichkeit des Wassers an dieser Stelle…!
Das hiesige Bier schmeckt hervorragend und ich bin selig, als Freizeitvegetarierin, mal wieder etwas Kreativeres als Spaghetti oder gegrillte Vegetables zu bekommen. Ich traue meinen Augen nicht, als zwischen dem Kirchturm und Franks Kopf, wie ein Geisterschiff, das Bug eines Kreuzfahrers auftaucht. Flash!
Gelesen hatte ich‘s, glauben kann ich es trotzdem nicht. Wir kommen mit dem Kellner ins Gespräch. Nein, das sei schon ganz ok so, wenn die Leute den ganzen Tag von Bord gingen, würden sie hier auch etwas konsumieren und am Abend dann bye bye. Das moderne Geisterschiff rauscht an uns vorüber und wir betrachten den riesigen Bildschirm an Bord mit einem Musikvideo von Whitney Houston. Der romantische Song der Verblichenen hallt laut zu uns herüber, der Dampfer hinterlässt eine Abgasfahne, während er sich in die nächste Enge, nahe der beiden Inseln, schlängelt. Aller guten Dinge sind drei, wenn dieser Kahn sänke, würde sich zusätzlich eine prächtige Klosterinsel einrichten lassen…!
Nun, das scheint hier niemanden zu stören, alle sind im Businessfieber. Unser sehr sympathischer Hausherr, erzählt uns als Allererstes, was er im kommenden Jahr vor hat. Zu den – übrigens sehr geschmackvollen - Appartements noch ein Restaurant hier oben hinbauen, auch Frühstück anbieten. Im Augenblick wird die Fläche noch als Parkfläche für die vielen vergebens suchenden Touristen angeboten, das ist geschäftstüchtig…. Wer kann es verdenken? Wir gehören auch zu dieser Touristenmaschinerie und dass die Leute Geld verdienen wollen, ist nichts Verwerfliches, dennoch würden wir gerne Einschränkungen in Kauf nehmen, damit der Tourismus nicht so viel zerstört und nachhaltiger werden kann.
Ich habe gelesen, dass in Montenegro die Fehler von Spanien und Italien wiederholt wurden. Jeder Zentimeter an der Küste wurde zubetoniert mit Betonburgen. Dabei ist Montenegro, das wir gerade erst beginnen zu entdecken, ein Land voller Naturschönheiten und wird nicht umsonst die Perle der Adria genannt.
„Als unser Planet entstand, muss sich die schönste Begegnung zwischen Meer und Land an der montenegrinischen Küste zugetragen haben. Und als die Perlen der Natur verteilt wurden, wurden sie mit vollen Händen in dieses Gebiet gestreut.“ Das schrieb der englische Dichter Lord Byron, als er Ende des 18. Jahrhunderts in Montenegro war. Heute eine Mahnung, dieses Geschenk der Schöpfung zu bewahren.
Wir werden uns den Bausünden an der Küste entziehen und uns in den Bergen Montenegros umsehen, über den Nationalpark Biogradska gora – einer der letzten Urwälder Europas – wollen wir die Nationalparks Durmitor und Proklettje erreichen, doch erst geht es noch an den Skutarisee.
Abend, es ist still geworden, die Tagestouristen sind gegangen. Wir sitzen auf unserem Balkon, nehmen dankend den lokal cheese und die angebotene, selbstgemachte Limo der Hausherrin an, schauen über die menschenleere Uferpromenade über die rasch dunkel werdende Bucht zu den Lichtern jenseits des Wassers, irgendwoher klingt leise „Imagine there's no heaven, it's easy if you try
no hell below us, above us only sky, …. imagine there’s no country, …… you may say, I’m a dreamer, but I‘m not the only one… I hope someday you'll join us, and the world will be as one…”
no hell below us, above us only sky, …. imagine there’s no country, …… you may say, I’m a dreamer, but I‘m not the only one… I hope someday you'll join us, and the world will be as one…”
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