Montag, 19. September 2011

Nachtflug

Die blauen Begrenzungslichter der Flugbahn huschen immer schneller an uns vorbei. Während das Flugzeug noch holpernd den Boden unter uns fühlen lässt, warte ich auf den Moment des Abhebens, des sich Loslösens aus dem heimatlichen Element. Noch immer führt das Fliegen zu einer Mischung aus Aufregung und Ungläubigkeit in mir. Wie kann es sein, dass wir Menschen uns aus unserer Erdverbundenheit lösen und in die Lüfte erheben, gerade so als wären wir gefiedert? Wie kann es sein, dass so viel Technik ersonnen wurde, und dies für uns Menschen überhaupt möglich wurde? Ist es richtig, sich in diesem fremden Element zu bewegen, ist es zu wagen, sich ihm anzuvertrauen? Und was wäre alles nicht möglich, hätte es diese Entwicklung nicht gegeben? Heute setzen wir uns in die eisernen Vögel und sind innerhalb weniger Stunden an den entlegensten Ecken dieser Welt.

Körperlich - die Seele braucht Zeit, um nachzukommen. Ich habe es bei unserer Heimkunft nach Deutschland gemerkt. In den ersten Tagen, jeden Morgen, beim langsamen Aufwachen, in diesem geheimnisvollen Zwischenraum zwischen Wachheit und Schlaf, meinte ich mich noch in Salvador zu befinden. "Mist, heute fliegen wir nach Hause" war der erste Gedanke, dann so allmählich mit einem ersten, kurzen Blinzeln, die unsichere Frage "Wo bin ich?" und "Wohin ging erst kürzlich dieser lange Flug, das kann doch nicht von Belo Horizonte nach Salvador gewesen sein!" Und dann, ganz langsam dämmerte mir: "Du bist ja schon da, wieder zu Hause angekommen!" Nein, ich war noch nicht da, nicht wirklich, noch lange nicht!



Es war anders, als wir mit dem Auto im Minas Gerais und der Chapada Diamantina unterwegs waren. Wir konnten sehen, wie sich die Landschaft veränderte, Orte zogen an uns vorüber. Wir befuhren mit Menschen bevölkerte Straßen, konnten ihre Häuser sehen, Hunde und Katzen in den Gassen, Tiere auf der Weide, verendete Kühe am Straßenrand, besorgt lodernde Buschfeuer beobachten. Bekanntes mischte sich mit Unbekanntem, Vertrautes mit Befremdlichen. Wir konnten unsere Fahrtroute wählen, konnten anhalten, wo wir wollten....

Am Morgen nach dem Abend mit den blauen Lichtern, bestiegen wir ein Schiff, um übers Meer auf die Insel zu fahren....









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