Donnerstag, 17. Oktober 2019

Zagoria-Dörfer und Vikosschlucht  30.09.-02.10.19


Dörfer, dem Himmel nah und in der Tiefe ein Höllenschlund 

45  Dörfer eingebettet in die waldreiche, unberührte Berglandschaft des Epirus – das ist die Zagoriaregion. Durch schroffe Berge abgeschirmt, war die Bevölkerung ganz im Nordwesten Griechenlands, im Grenzbereich zu Albanien, lange Zeit großer Armut ausgesetzt. Dies führte dazu, dass viele Einwohner auswanderten und die Dörfer anschließend durch Spenden der wohlhabenden Auswanderer prosperierten. Die Architektur aus Holz und Stein der Region verbindet sich in eigentümlicher Weise mit der Landschaft. Berühmt sind auch die Bogenbrücken der Zagoria, die wir leider – noch – nicht gesehen haben.
Unser Hotel in Vitsa ist eines der bezaubernden, alten Herrenhäuser, mit viel Gespür eingerichtet und einem für die hiesige Region üblichen Steindach. Davor, auf dem Platz mit der knorrigen, jahrhunderte alten Platane, gibt es ein paar Tische mit Stühlen. Sie laden dazu ein, sich eine der hiesigen Spezialitäten schmecken zu lassen und dabei den Blick über die „Oberstadt“ von Vitsa hinüber zur Vikosschlucht schweifen zu lassen. Bekannt ist die Region für ihre Pilzgerichte und die Aromen der wilden Gemüse und  Bergkräuter. Das Restaurant "kanela&garifallo" (übersetzt Zimt & Nelke) in der Nachbarschaft ist, was der Name nicht ahnen lässt, ein Spezialitäten-Restaurant, in dem sich alles um Pilzgerichte dreht. Wir entscheiden uns für verschiedene Starters um möglichst viele der eigenwilligen Kompositionen kosten zu können, z.B. Pilzcappuccino – ein Süppchen in der Tasse, mit aufgeschäumter Sahne, ein Gedicht!
Schon nach der albanisch-griechischen Grenze hatten wir das Gefühl in unserer Heimat auf Zeit angekommen zu sein. Griechische Buchstaben, vor wenigen Jahren noch ein Buch mit sieben Siegeln und vertraute griechische Töne. Und doch, die Zagori-Region ist nochmals ein ganz anderes Griechenland, als das der Peleponnes, das uns schon so vertraut ist. Die Gegend trägt das Siegel unwirtlicher Winter; nicht nur die aus Natursteinen gebauten Häuser zeugen davon, die Innenräume sind mit Kamin und viel Holz ausgestattet, und kleinen Fenstern – es muss hier sehr kalt werden! Hier sind dramatische Schluchten zu finden, anmutige Felsketten und unberührte Wälder.
Schade, dass wir nur zwei Übernachtungen haben. In drei Tagen wird eine Starkregenfront erwartet und die möchten wir, nach meinen Erfahrungen auf der Peloponnes, nicht in den Bergen verbringen. So werden auch die weiter östlich gelegenen Meteora-Klöster von unserem aktuellen Reiseplan gestrichen.

Vikos-Schlucht

Laut Guinessbuch der Rekorde ist die Vikosschlucht, gemessen am Höhen- zum Breitenverhältnis, die tiefste Schlucht der Welt. Nachdem wir schon bei der Taraschlucht das Vergnügen hatten, die tiefste Schlucht Europas zu bestaunen und wir uns gefragt haben, wie das zusammengeht, nun also zur tiefsten Schlucht der Welt. Vom nur ca. 5 km entfernten Dorf Monodendri gelangt man über einen Weg in 15 – 20 Minuten zu einem Kloster , von wo aus man einen überaus eindrucksvollen Blick in die Vikosschlucht haben soll. Monodendri  heißt übersetzt „einzelner Baum“, ich hatte dentro mit donti verwechselt und für mich war klar, die Ortschaft heißt „nur ein Zahn“, was ich viel lustiger finde,  wir werden wohl bei der etwas phantasievolleren Übersetzung bleiben.
Auf unserem kurzen Fußmarsch zum Monastiri Agia Paraskevi, bleiben wir noch im örtlichen Museum bei einer Ausstellung von Fred Boissonnas hängen – schwarzweiß Fotografien von griechischen Landschaften und Menschen Anfang des 20. Jahrhunderts. Zwei eindrückliche Poster wandern in unseren Rucksack, sie werden die nächsten Monate unsere Wohnung schmücken.



Vom Monastiri aus hat man tatsächlich einen grandiosen Blick in die Schlucht, die an dieser Stelle wie ein Dreiangel wirkt und tatsächlich den Eindruck erweckt, in einen Höllenschlund zu blicken. Allerdings dachten die früheren Menschen bei diesem Anblick nicht an die Pforte des Teufels, vielmehr an einen Eingang des Hades. Auf unserer Reise werden wir noch weitere solcher Einlässe finden…. ! Noch heute wirkt die Landschaft völlig unberührt. So kann es sein, dass dies hier auch als Rückzugsgebiet für gefährdete Tierarten gilt, hier gibt es noch Bären, Wölfe, Adler und Geier und eine der letzten Herden Wildpferde in Europa. Das Kloster scheint nicht mehr von Nonnen bewohnt, nur eine in Serie Ikonen produzierende, nicht sehr zugängliche Verkäuferin betreut das für jedes Kloster übliche Klosterlädchen. Ich frage mich, was der ständige Anblick dieser Grandiosität mit den Menschen gemacht hat, kann man sich daran gewöhnen, oder kommt man sich vor wie eine Ameise und wird jeden Tag erneut auf die eigene Bedeutungslosigkeit hingewiesen?!




Unsere Fahrt geht weiter über den steinernen Wald, hier ist das Material zu finden, womit in den Dörfern die Häusdächer belegt werden. Die einzelnen Gesteinstürme lassen einen Irrgarten entstehen, dessen verschlungene Wege schnell eine gewisse Orientierungslosigkeit aufkommen lassen.



Die Straße endet beim nächsten atemberaubenden Schluchtenblick. Ein breiter Pfad führt zur ummauerten Aussichtskanzel, weiter geht er schmal am Fels entlang, mit einem Schild
„begehen auf eigene Gefahr“, nein danke, das Abenteuer hat doch gerade erst begonnen… !



Unser Hotel: www.vezitsa-zagori.com
Das Pilzrestaurant: www.kanela-garyfallo.gr

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