Auch dies, damit wir Menschen begegnen,
die nicht meinen, dass sie uns kennen ein für allemal,
damit wir noch einmal erfahren,
was uns in diesem Leben möglich sei.
Max Frisch
Noch zweimal schlafen, sagte ich als Kind immer, wenn das lange ersehnte Ereignis nahe gerückt war - nun sind es noch einige Nächte und Tage mehr, in denen wir träumen und sinnieren, was uns bei unserer Reise nach Brasilien erwarten und begegnen wird.
Je näher unser Flugtermin rückt, desto häufiger frage ich mich, wann die innere Reise nach Brasilien begann: Als wir unsere Flüge gebucht hatten? Als wir festgelegt haben, welche Orte wir besuchen werden? As wir den Kontakt zu arDaga in der Chapada Diamantina suchten? Als ich über den Candomblé, eine alte afrikanische Religion, recherchierte und dabei Pater Hans Böhnisch in Salvador fand? Oder als Isabella, unsere mitreis(ß)sende brasilianische Freundin das erste Mal bei Marina anrief, die in ihrem privaten Waisenhaus in Bahia 60 Kinder und Jugendliche betreut?
Nun, die Reise hat schon früher begonnen: In Griechenland im Herbst 2010, als ich Johannas Geschichte erfuhr, oder drei,vier Jahre eher, als Isabella und Peter uns sagten, „ihr müsst unbedingt mit uns nach Brasilien kommen“. Nein, eigentlich liegt der Beginn noch viel länger zurück: Vor vielen, vielen Jahren, in den frühen 70ern, in einem ziemlich bunterkunten Kinderzimmer, in dem ein Mädchen im kreativen Chaos hauste und immer genügend Unordnung auf dem großen Tisch arrangiert hatte, um die fremde Welt ihrer "Seelenfreundin" Taowaki darunter verschwinden zu lassen, wenn die Mutter ins Zimmer kam, um sich nach dem Stand der Hausaufgaben zu erkundigen. Ich war damals mit Taowaki im tiefsten Amazonas-Urwald unterwegs und wusste nicht, dass es jenseits des Ozeans schon Isabella gab, die uns irgendwann nach Brasilien führen würde.
Erinnert ihr euch noch an euer erstes Märchen, das erste Kinderlied, das wichtigste Buch eurer Jugend? Meines war "Taowaki", die Geschichte einer jungen Indianerin vom Stamm der Chavantes. Wir waren gemeinsam im dichten Regenwald unterwegs, sie zeigte mir, wie man mit wilden Tieren und anderen Gefahren des Waldes umgeht, wir gruben Wurzeln aus, sammelten Beeren, träumten in den Astgabeln der Bäume, durch die kaum ein Sonnenstrahl durchleuchtete, badeten im Fluss, erlebten unsere ersten Liebesgeschichten, sangen, tanzten, litten und trauerten gemeinsam. Ich roch, schaute und lauschte mit ihr in diese fremde Welt. Seither hat mich der Wunsch, diese meine Traumwelt einmal zu betreten, nicht mehr verlassen. Wir werden leider nicht am Amazonas sein, doch wir werden uns annähern, denn wir werden in der traumhaft schönen, wilden? Chapada Diamantina im Hinterland von Salvador mit arDaga unterwegs sein.
Über Johanna möchte ich euch noch erzählen, ihre Geschichte wird in der Zukunft mit der unsrigen verwoben sein: Ich hatte Johanna bei einer Chartresreise im Frühling 2010 kennengelernt. Unsere Sympathie für einander reichte nur aus für ein paar Augenblicke des Einverständnisses, kurze Sätze, die wir tauschten - zu viele Begegnungen mit anderen verhinderten, dass wir uns näher kennenlernten. Erst im Herbst, als eine Teilnehmerin wieder bei meiner Griechenlandreise auftauchte, erzählte diese mir ein Ereignis aus Johannas Leben, das es für immer verändern sollte:
Es war ein schöner Abend, an einem Stadtstrand von Salvador, als Johannas Mann den Sonnenuntergang fotografieren wollte, dort wurde er von zwei Jugendlichen erschossen. Keiner weiß was genau geschehen ist, man nimmt an, dass er seinen Fotoapparat nicht herausgeben wollte. Johanna reagierte sehr ungewöhnlich und hat dafür meine große Zuneigung: Sie besuchte nach dem Mord die Jugendlichen im Gefängnis und vergab ihnen, dann suchte sie ein Waisenhaus in der Nähe von Salvador, das sie und ihre Familie unterstützt. Sie möchte diesen Kindern Perspektiven schaffen und dabei unterstützen, dass sie aus dieser Spirale von Gewalt und Perspektivlosigkeit aussteigen können. "Weißt du", sagte sie mir "ich fand es als Kind schon schlimm, wenn von diesen Indianer-Kriegen in Wildwestmanier erzählt wurde, und von diesen "Wilden" gesprochen, die all dieses Blutvergießen verschuldet haben, ich fühlte das Falsche in dieser Moral "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Ich hatte wohl schon als Kind die Ahnung, dass meine spätere Aufgabe einmal vergeben sein würde".
Ich sollte wohl nun für's Erste mit dem Schreiben aufhören, sonst ist das Buch geschrieben, bevor wir überhaupt nach Brasilien abreisen, doch schaut immer mal wieder herein, ihr wisst ja, die Reise hat schon begonnen... !
Eine Bitte noch, vielleicht wollt ihr mithelfen, wir werden Marinas Waisenhaus unterstützen, wenn wir dort sind, vielleicht auch ein Projekt von ArDaga oder Pfarrer Bönisch, davon wird später mehr zu lesen sein.. Solltet ihr mithelfen wollen, überweist einen Beitrag auf mein Konto:
Angelika Rinnus, Volksbank Donau-Neckar, Kto. 12 757 004, BLZ 643 901 30, Stichwort "Spende Brasilien" (Waisenhaus, arDaga, Pfarrer Bönisch)
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