Wieder Erinnerungen an meine Kinderzeit, die Mahnung, meiner Mutter: "Deine Augen sind mal wieder größer als dein Mund“. Auch heute noch besteht diese Gefahr, vielleicht nicht beim Essen, aber beim Erleben. Ich muss mich immer noch zügeln, mir Mäßigung auferlegen. Eigentlich weiß ich es schon längst: Weniger ist mehr.
Ich scheue mich davor, große Länder zu besuchen, bin überfordert mit der Auswahl der Orte. Als wir begannen unsere Brasilienreise zu planen, war die Wunschliste lang: Isabellas FreundInnen wieder sehen, dazu nach Rio, Sao Paulo, Florianopolis reisen, das Pantanal lockte uns, und natürlich – insbesondere mich - der Amazonas, die Iguazu-Wasserfälle sollte man sich keinesfalls entgehen lassen und dann gab es noch diese hübsche kleine Eisenbahn an Berghängen entlang, über Schluchten hinweg, technisch geschützter Nervenkitzel. Nach und nach wurde die Liste zusammengestrichen und wir spürten – Bedauern? Nein erstaunlicherweise ERLEICHTERUNG!!
Wir haben uns entschleunigt, werden nur noch ein mal im Flieger sitzen und haben jeweils eine wunderbare Woche Zeit , um wirklich in den Städten, in der Lanschaft, bei den Menschen, bei uns selbst anzukommen.
Kennt ihr den Genuss, wie es ist, die roten Rücklichter eines Zuges in einer langsamen Kurve aus dem Bahnhof entschwinden zu sehen, ganz ohne Bedauern? Ja, mit einer gewissen Genugtuung die geschenkte Zeit zu spüren? Freilich ist es nicht immer möglich so entspannt den roten Lichtern nachzuschauen, doch es ist ein Experiment wert, einfach auf dem Bahnsteig stehen bleiben, den Vorbeihastenden zuschauen, amüsiert ihre ungläubigen Blicke erwidern. Ich habe das einmal in Paris Montparnasse erlebt (passenderweise leitet sich der Name von Heimat der Musen und Inbegriff der Lyrik ab). Es war eine köstliche Erleichterung, den Zug fahren zu lassen, alles Müssen fahren zu lassen. Hätte ich gewollt, ich hätte jede Freiheit besessen, in irgendeinen Zug zu steigen und an irgendeinem Ort auszusteigen.
Vor Jahren übersetzte ich den Text einer jungen, an Krebs erkrankten Amerikanerin. Sie erteilte mir eine Lektion in Sachen Entschleunigung. Kann es sein, dass die Gewissheit, nur noch eine begrenzte Lebenszeit zu haben, zur Verlangsamung, Vertiefung beiträgt? Ich stelle diese Frage!
Hier ihre Worte:
Slow dance
Hast du jemals Kinder bei ihrem lustigen Reigen zugesehen?
Oder dem Regen gelauscht, wie er auf den Boden klatscht?
Bist du jemals dem schaukelnden Flug eines Schmetterlings gefolgt?
Oder mit deinen Blicken der Sonne, in der aufsteigenden Nacht?
Mach besser langsam.
Tanz nicht so schnell.
Die Zeit ist kurz.
Und irgendwann wird die Musik zu Ende sein.
Rennst du durch deine Tage, als hättest du Flügel?
Wenn du jemanden fragst, wie geht es dir?
Hörst du dann die Antwort?
Und wenn der Tag vorbei ist
liegst du in deinem Bett
mit den nächsten hundert Arbeiten,
die dir im Kopf herumgehen?
Mach besser langsam.
Tanz nicht so schnell.
Die Zeit ist kurz.
Und irgendwann wird die Musik zu Ende sein.
Hast du jemals deinem Kind gesagt,
das machen wir morgen?
Und in deiner Hast sein Leid nicht gesehen?
Jede ungeschehene Berührung
lässt eine gute Freundschaft sterben.
Und du hattest keine Zeit,
anzurufen und hallo zu sagen.
Mach besser langsam.
Tanz nicht so schnell.
Die Zeit ist kurz.
Und irgendwann wird die Musik zu Ende sein.
Wenn du so schnell rennst, um irgendwo hin zu
kommen,
wirst du am Ziel nur die halbe Freude daran haben, dort zu sein.
Wenn du eilig und bedrückt durch deine Tage gehst,
ist es, als würdest du ein ungeöffnetes Geschenk...
einfach wegwerfen.
Das Leben ist kein Rennen.
Nimm es langsamer.
Hör die Musik,
bevor das Lied vorüber ist.
wunderschön :)
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